Donnerstag, 7. Dezember 2017

Camus im Stil von Kruse

Der verlorene Sohn: 
"Ich bin zurückgekehrt..." 
 

"Je länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man. Wie wäre es, wenn man jetzt die Tür öffnete und mich etwas fragte. Wäre ich dann nicht selbst wie einer, der sein Geheimnis wahren will."
Franz Kafka 

Der für den bei Lukas das Kalb geschlachtet wird ist einer, Kafka hat über sich als einen  solchen geschrieben, Isaak und Orest sind es, der verlorene Sohn hat einen eigenen Wikipediaeintrag. In gewisser Weise ist auch Jesus einer von ihnen. 
Für die religiösen Bedürfnisse scheint mir die Ableitung von der infantilen Hilflosigkeit und der durch sie geweckten Vatersehnsucht unabweisbar, zumal sich dies Gefühl nicht einfach aus dem kindlichen Leben fortsetzt, sondern durch die Angst vor der Übermacht des Schicksals dauernd erhalten wird. Ein ähnlich starkes Bedürfnis
aus der Kindheit wie das nach dem Vaterschutz wüßte ich nicht anzugeben."  
Siegmund Freud

Im "Mißverständnis" von Albert Camus, kehrt ein verlorener Sohn, im Ausland wohlhabend geworden, nach Jahren der Abwesenheit heim, gibt sich aber, nicht zu erkennen. Seine Mutter und Schwester führen eine schlecht laufende Herberge und töten ihre wenigen Gäste, um mit deren Geld einst ans ersehnte Meer ziehen zu können. Auch der unerkannte Fremde wird vergiftet. Als die Mutter erfährt, wen sie gemordet haben, begeht sie Selbstmord, die Schwester lebt und wird nie das Meer sehen. 
Melodrama und philosophischer Diskurs, sicher kein großes Stück, aber was Jürgen Kruse und seine Schauspieler darin und darum gefunden haben, ist betörend. Die zärtliche Gleichgültigkeit der Welt ist ein Begriff den Camus im "Fremden" verwendet und er beschreibt diesen Abend gut. Die Bühne ist geheimnisvoll zugemüllt und nur spärlich beleuchtet, der Soundtrack eine eigenartige Mischung von Biermann, französischen Schlagern und Rockmusik der 70er. Die Figuren zitieren ihre Worte spielerisch und flirrend. Wortverwechsler & -witze, Liedzitate, grammatikalischen Verkürzungen spitzen den etwas zu deutlichen Text zu. Jedi-Speak mit nachgesetztem "nicht", gibt Sätzen an ihrem Ende eine überraschende Wende. Feind-selig. Einzel-haft-heiten. Manuel Harder ist ein cooler Wortjongleur! Starke Frauen geben ihm Widerstand, nahezu schweigende Figuren fixieren den Rhytmus.
Es ist sehr viel los auf dieser Bühne und ich bin in Freiheit zu schauen, zu hören. Nicht das autistische Getue a la Kennedy, dass mich durch Langeweile in Trance versetzen will und es mangels Schönheit nicht schafft, sondern hochartifizielles, gedachtes, witziges Spiel der Darsteller miteinander und mit mir. Es wird von mir erwartet, dass ich mitdenke. Da habe ich, unerwartet, etwas mir Neues gesehen, dass ich nicht wirklich verstehe, aber das mich zutiefst sinnlich vergnügt hat.
 Foto: Arno Declair
Das folgende Lied wird über den Abend immer wiedermal angesungen:
Fahrende Musikanten
von Nina & Mike 
Wir zwei, wir haben lang allein getingelt
Hejo, hejo, ho
Und oftmals hat die Kasse nicht geklingelt
Hejo, hejo-ho
Dann eines Tages lernten wir uns kennen
Hejo, hejo, ho
Und seither woll'n wir uns nie wieder trennen (Nie wieder!)
Hejo, hejo-ho
Oh oh oh
Fahrende Musikanten
das sind wir
Immer auf Achse
das sind wir
mit unser'm Lied
das nur von Liebe und Leid erzählt
 
Fahrende Musikanten für immer
selten zu Hause für immer
Wir und unser Lied gehör'n der ganzen Welt.

Tagaus
tagein
so zieh'n wir durch die Lande
Hejo hejo ho
Wie früher mal so manche Räuberbande
Hejo hejo ho
Wir haben beide nie den Mut verloren
Hejo hejo ho
Wir sind nun mal für die Musik geboren
Hejo hejo ho

Oh oh oh
Fahrende Musikanten
das sind wir
Immer auf Achse
das sind wir
mit unser'm Lied
das nur von Liebe und Leid erzählt
 
Fahrende Musikanten für immer
selten zu Hause für immer
Wir und unser Lied gehör'n der ganzen Welt.

Uns lockt jeden Tag der Applaus
drum zieht es uns ein Leben lang hinaus.

Oh oh oh
Fahrende Musikanten
das sind wir
Immer auf Achse
das sind wir
mit unser'm Lied
das nur von Liebe und Leid erzählt
 
Fahrende Musikanten für immer
selten zu Hause für immer
Wir und unser Lied gehör'n der ganzen Welt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen