Sonntag, 5. November 2017

Das Museum Barberini zeigt DDR Kunst und Kleist ist schwer

Nimm diesen Kuß! – Und bohrten gleich zwölf Kugeln

Dich jetzt in Staub, nicht halten könnt ich mich,
Und jauchzt und weint und spräche: du gefällst mir!
Natalie in H.v.Kleists Prinz Friedrich von Homburg im 4. Auftritt

HINTER DER MASKE. KÜNSTLER IN DER DDR
Museum Barberini 
29. Oktober 2017 bis 4. Februar 2018
Vorrausgeschickt, man sollte sich die diese Ausstellung von oben nach unten ansehen, im zweiten Stock beginnend. Ich hatte den Tipp von einem Facebook-Freund. Ganz oben drei Räume mit Werken, die einst im Palast der Republik hingen. Friede seiner häßlichen, aber durchaus berlintauglichen Asche. 
Das ist ein äußerst kluger Dreh, denn hier hängt das staatstragende, sich ihm anschmiegende, aus Diensteifer gänzlich verkrampfte Grauen. Für jeden, dessen visuelles Gedächtnis Verblassungen aufweist eine exzellenter Auffrischer. Grauenhaft. Traurig. Oder, wie bei Tübke in der Historie bis zur Unkenntlichkeit untertauchend.
Danach wird es besser, viel besser! Immer mal wieder zwischendurch altbekannte DDR-Arbeiter-Portraits, aber eben auch Frechheiten, wildes Abweichlertum, schlaues Umfahren und einfach großartige Werke. 
Trak Wendisch Der Seiltänzer
 
Der Besuch lohnt sich. Und das Museum ist leicht zu erreichen, erst die S-Bahn und dann nur 700 Meter Fußweg. Wenn ich denke, wie viele hunderte Stunden ich bei DEFA-Drehs um dieses unüberbrückbare West-Berlin herumgefahren bin! Der Bau ist wirklich schön. Friedrich der Große hat ihn 1771/72 als herrschaftliches Haus in Auftrag gegeben, 1945 wurde er durch Bomben zerstört. Hasso Plattner, ein enorm reicher Software-Unternehmer, gibt einen Teil seines Geldes für sehr nützliche Dinge her, wie z.B. den Wiederaufbau eben dieses Hauses. Er ist ein Mäzen der Wissenschaft und der Künste. Wiki definiert das Wort so: "Ein Mäzen, auch Mäzenat, weiblich Mäzenin bzw. Mäzenatin, ist eine Person, die eine Institution, kommunale Einrichtung oder Person mit Geld oder geldwerten Mitteln bei der Umsetzung eines Vorhabens unterstützt, ohne eine direkte Gegenleistung zu verlangen. Die Bezeichnung Mäzen leitet sich von dem Etrusker und Römer Gaius Cilnius Maecenas her, der in augusteischer Zeit Dichter wie Vergil, Properz und Horaz förderte." Allerdings was heißt, dass keine direkte Gegenleistung erwartet wird? Steuererlässe? Vielleicht ist er einfach nur ein anständiger Mann mit mehr Geld, als statthaft ist.

Dann haben wir uns im Hans-Otto-Theater in einer 17.00 Uhr Vorstellung den "Prinzen von Homburg" von Kleist angesehen und wiedereinmal bin ich in den Riss zwischen den Generationen gefallen. Ich sah die private Not eines hochsensiblen Hysterikers und hoffte auf den Schrecken eines Menschen, der sich seiner selbst sicher sein konnte, bis ihm dies nicht mehr möglich war. Kleists Figuren, so lese ich es, wissen mit felsenfester Sicherheit wer sie sind, bis ihr Herz, Unterbewußtsein, Magen ihnen mitteilt, dass sie einem Irrtum unterliegen. Sie kämpfen dagegen an mit aller Kraft. Aber am Ende siegt immer die Liebe und der Tod. Amit Epstein hat dazu die mit großem Abstand häßlichsten Kostüme meiner bisherigen Theatererfahrung entworfen.  
Das Leben nennt der Derwisch eine Reise,
Und eine kurze. Freilich! Von zwei Spannen
Diesseits der Erde nach zwei Spannen drunter.
Ich will auf halbem Weg mich niederlassen!
Wer heut sein Haupt noch auf der Schulter trägt,
Hängt es schon morgen zitternd auf den Leib,
Und übermorgen liegts bei seiner Ferse.
Zwar, eine Sonne, sagt man, scheint dort auch,
Und über buntre Felder noch, als hier:
Ich glaubs; nur schade, daß das Auge modert,
Das diese Herrlichkeit erblicken soll.
H.v.Kleist Prinz Friedrich von Homburg 3. Auftritt 

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