Montag, 13. November 2017

Ägypten 2 - Kairo Nachträge

Mir geht es gut.

In Kairo avanciere ich überraschend zum begehrten Photomodell, kleine, bekopftuchte Mädchen und Jungs mit frechen Augen wollen sich unbedingt mit mir photographieren lassen. Endlich exotisch. Doch nach dem dritten Photo ist es mir genug. So auch auf dem Basar, "Hallo!", "Guter Preis!", "Ein Euro!", "Pashmina!", "Taxi?" verneine ich zehnmal, dann stelle ich mich taub. Ein fieses, bedrückendes Spiel, sie brauchen das Geld, dringend und ich kann nicht alles kaufen. Vor etwa zwei Jahren hat das ägyptische Pfund die Hälfte seines Wertes verloren, 1:10 wurde zu 1:20 im Verhältnis zum Euro, ein Erdrutsch, der vielen Bürgern dieses Landes den Boden unter den Füßen weggerissen hat. Hier bin ich die reiche weiße Frau. Ein Schock. Mißtraue ich nun jedem, dem ich begegne, weil er möglicherweise nur an mein europäisches Geld will oder versinke ich in allgemeines Schuldbewußtsein? Denn, wir haben es ja unverhältnismäßig und irgendwie unverdientermaßen gut. Ich mache Urlaub und sie arbeiten, für mich.
Aber ich werde auch oft einfach angelächelt, "Welcome to Egypt", mühsam zusammengesuchte Worte, Freundlichkeit - Fremdheit ohne Feindlichkeit.



Leben heißt sterben.

Die Pyramiden von Gizeh, in tausend Filmen, Dokumentationen, Bildern gesehen, Teil meines persölichen Imaginariums, sehen genauso aus, wie ich es dachte. Nur umgibt sie nicht die erwartete Wüste, sondern die Riesenstadt ist zu ihnen hingewachsen. Gigantisch! Hunderttausende haben hier gegen die Todesangst eines Einzelnen gearbeitet, sind vor Erschöpfung oder Unterernährung gestorben, weil er nicht sterben wollte. Unweit, die Sphinx oder der Sphinx, keiner weiß es, schön, kleiner als erwartet, sehr erodiert. Ihr/sein heiliger Bart befindet sich absurderweise im Britischen Museum in London.

Nach mehrjährigen Verhandlungen zwischen Kairo und London ließ das British Museum vorletzte Woche die Ägypter wissen, daß der begehrte Kinnbart nur leihweise und höchstens für die Dauer von zehn Jahren nach Ägypten zurückkehren dürfe. Die ägyptische Regierung lehnte dieses absurde Angebot ab: Müßte der Sphinx-Bart erst aufwendig eingebaut und später wieder ausgebaut werden, wäre die Statue noch mehr gefährdet als gegenwärtig.
Der Spiegel 9/1989


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