Freitag, 2. Juni 2017

Prediger oder Kohelet - Das einzige Buch der Bibel, das mich tröstet.

Kohelet - Prediger - Ekklesiastes

Koh; hebräisch קהלת „Versammler, Gemeindeleiter“, Prediger (Salomos) bezeichnet ein Buch des Tanach, das dort zu den Ketuvim „Schriften“ gehört. Es ist eine Sammlung von Weisheitssprüchen, praktischen Lebensratschlägen und Warnungen vor falscher Lebensweise, die es einem anonymen Prediger zuschreibt. Im christlichen Alten Testament (AT) wird es zu den Büchern der Weisheit gezählt. In der Septuaginta heißt es Ekklesiastes, in der Vulgata Liber Ecclesiastes - so sagt Wiki.

Unterwegs im Alten Testament auf der Suche nach glaubwürdiger Hoffnung, ausgesetzt in unserer Welt auf derselben Suche, gerate ich immer wieder unweigerlich an diesen Text. Er ist nicht tröstlich. Ein Happy End wird nicht einmal angedeutet. Er ist hart, klar und wahr. Einige Einschübe späterer Redakteure hängen, bemüht um Verharmlosung, schief zwischen den Zeilen. 

Yuval Noah Harari hat ein nicht sehr dickes Buch geschrieben, das ganz wunderbar dazu passt, gerade mal 506 Seiten lang, die Quellenangaben inbegriffen. Eine Kurze Geschichte der Menschheit, ein Buch, dass ich eifrig gelesen habe. Es ist der Versuch, die Geschichte des Menschen, der Menschheit, zu beschreiben, ohne Hilfe von absichernden, imaginierten Fiktionen, seien es Religionen oder Ideologien oder eine so heilige Kuh, wie es die Menschenrechte sind. Wie schwer es ist, ohne die gewohnten Kategorien von Gut und Böse zu denken. Harari strauchelt hier und da, manche Behauptung bleibt nicht mehr als eine solche. Aber er wagt große und grundsätzliche Gedanken.
Götter, Nationen, Geld, Menschenrechte und Gesetze gibt es gar nicht – sie existieren nur in unserer kollektiven Vorstellungswelt.
UND
Vor gut 70 000 Jahren begannen Organismen der Art Homo sapiens mit dem Aufbau von noch komplexeren Strukturen namens Kulturen. Die Entwicklung dieser Kulturen nennen wir Geschichte. Die Geschichte der menschlichen Kulturen wurde von drei großen Revolutionen geprägt. Die kognitive Revolution vor etwa 70 000 Jahren brachte die Geschichte überhaupt erst in Gang. Die landwirtschaftliche Revolution vor rund 12 000 Jahren beschleunigte sie. Und die wissenschaftliche Revolution, die vor knapp 500 Jahren ihren Anfang nahm, könnte das Ende der Geschichte und der Beginn von etwas völlig Neuem sein. Dieses Buch erzählt, welche Konsequenzen diese drei Revolutionen für den Menschen und seine Mitlebewesen hatten und haben.

Was Harari als Historiker unternimmt, tut das sehr alte Werk Kohelet auf seine eigene poetische Weise. Als Entstehungszeit dieses Buches wird das 4. oder 3. vorchristliche Jahrhundert angenommen.  


KOHELET

Eine Generation geht, eine andere kommt, die Erde steht in Ewigkeit. Die Sonne, die aufging und wieder unterging, atemlos jagt sie zurück an den Ort, wo sie wieder aufgeht. Alle Dinge sind rastlos tätig, kein Mensch kann alles ausdrücken, nie wird ein Auge satt, wenn es beobachtet, nie wird ein Ohr vom Hören voll. Was geschehen ist, wird wieder geschehen, was man getan hat, wird man wieder tun. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Es gibt keine Erinnerung an die Früheren, und auch an die Späteren, die erst kommen werden, auch an sie wird es keine Erinnerung geben bei denen, die noch später kommen werden. Alles ist Windhauch.

Ich habe mein Wissen immerzu vergrößert, so dass ich jetzt darin jeden übertreffe. Doch: Viel Wissen, viel Ärger, wer das Können mehr, mehrt die Sorge. Wissen ist besser als Waffen- aber ein einziger, der falsch entscheidet, kann viele Werte zerstören. Der Gebildete hat Augen im Kopf, der Ungebildete tappt im Dunkeln. Aber beide trifft ein und dasselbe Geschick. Was den Ungebildeten trifft, trifft also auch mich. Warum bin ich dann über alle Maßen gebildet? Wie es ist möglich, dass der Gebildete ebenso sterben muss wie der Ungebildete? Jeder Mensch unterliegt dem Geschick, und auch die Tiere unterliegen dem Geschick. Wie diese sterben, so sterben jene. Beide haben denselben Atem. Einen Vorteil des Menschen gegenüber dem Tier gibt es nicht. Beide sind Windhauch.

Ich hatte mir vorgenommen, das Wissen daraufhin zu untersuchen und zu erforschen, ob nicht alles, was unter dem Himmel getan wurde, ein schlechtes Geschäft war, für das die einzelnen Menschen durch Gottes Auftrag sich abgemüht haben. Ich beobachtete alle Taten, die unter der Sonne getan wurde. Das Ergebnis: Das ist alles Windhauch.



Ich baute mir Häuser, ich pflanzte Weinberge. Ich kaufte Sklaven und Sklavinnen, obwohl ich schon hausgeborene Sklaven besaß. Auch Vieh besaß ich in großer Zahl, Rinder, Schafen, Ziege. Ich musste meinem Herzen keine einzige Freude versagen. Das Geld macht alles möglich. Wer das Geld liebt, bekommt vom Geld nie genug; wer den Luxus liebt, hat nie genug Einnahmen. Aber auch das: Windhauch! Wie der Mensch aus dem Leib seiner Mutter herausgekommen ist – nackt, wie er kam, muss er wieder gehen. Von seinem Besitz darf er überhaupt nichts forttragen, nichts, das er als ihm gehörig mitnehmen könnte. Alles Arbeiten des Menschen ist für den Rachen des Totenreichs, und dessen Schlund wird niemals voll. Welchen Vorteil bringt es ihm, dass er sich anstrengt für den Wind? Mich verdroß mein ganzer Beitz, für den ich mich unter der Sonne anstrenge und den ich dem Menschen lassen muss, der nach mir kommt. Wer weiß, ob er ein Wissender oder Unwissender ist? Jedenfalls wird er über meinen ganzen Besitz verfügen! Auch das ist Windhauch.


Dann wieder habe ich alles beobachtet, was unter der Sonne getan wird, um Menschen auszubeuten. Sieh, die Ausgebeuteten weinen, und niemand tröstet sie; von der Hand ihrer Ausbeuter geht Gewalt aus, und niemand tröstet sie. Da preise ich immer die Toten, die schon gestorben sind, und nicht die Lebenden, die noch leben müssen. Glücklicher aber als beide preise ich den, der noch nicht geworden ist, der noch nicht das schlimme Tun gesehen hat, das unter der Sonne getan wird. Denn: Jede Arbeit und jedes erfolgreiche Tun bedeutet Konkurrenzkampf zwischen den Menschen. Auch das ist Windhauch. Ich habe erkannt: Es gibt kein in allem Tun gründendes Glück, es sei denn jeder freut sich, und so verschafft er sich Glück, während er noch lebt.  


Sentimentalität (von französisch le sentiment = „Gefühl, Stimmung“) ist eine Gemütsverfassung, die durch Rührung gekennzeichnet ist. Sie nimmt ihren äußeren Anlass zum Vorwand, um sich dann in sich selbst hineinzusteigern; also ein Schwelgen in meist wohligen, sehnsüchtigen, romantischen und leidenschaftlichen Gefühlen, aber auch Melancholie. Sentimentalität ist somit eine Form der emotionalen Selbststimulation ohne Handlungsantrieb. Dieser psychische Mechanismus kann zum Beispiel dazu verleiten, bestehende Belastungssituationen passiv zu ertragen oder Konflikte zu ignorieren, statt sie tatsächlich durchdenken oder angehen zu müssen.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/islamischer-staat-yuval-harari-spricht-ueber-grausame-hinrichtungen-a-1017427.html 

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