Sonntag, 18. Juni 2017

DIE RATTE

Mein Angsttier seit Kindertagen, die Ratte.  Ein Nagetier aus der Gruppe der Altweltmäuse. Klingt niedlich, ist mir gräßlich.

So mit 10 oder 11 las ich alles über exotische Krankheiten, was ich ergattern konnte. Und hatte dann einen Tag lang Gelbfieber, eine Woche die Schlafkrankheit, und häufig die Tollwut. Totes Tier gesehen, mehr Spucke im Mund und los in Erwartung des schrecklichen Endes.

Ich las Paul de Kruifs "Mikrobenjäger", Daniel Defoes "Die Pest zu London", große Teile des Gesundheitslexikons der DDR (Die Bilder sehe ich noch immer vor mir, sie ähneln sehr denen auf heutigen Zigarettenschachteln.) Und dann, nur wegen dem Titel, Die Pest" von Albert Camus.

"Am selben Abend stand Bernard Rieux im Flur des Hauses und suchte seine Schlüssel, ehe er zu seiner Wohnung hinaufging, als er aus dem dunklen Hintergrund des Korridors eine unsicher laufende dicke Ratte mit nassem Fell auftauchen sah. Das Tier blieb stehen, schien das Gleichgewicht zu suchen, lief auf den Arzt zu, blieb wieder stehen, drehte sich mit einem kurzen Fiepen um sich selbst und fiel schließlich um, wobei sein Blut aus den halb geöffneten Lefzen spritzte. Der Arzt betrachtete es eine Weile und ging in seine Wohnung hinauf." Ein Todestanz.


Und dann waren da die Großstadtmythen meines Vaters von Plumpsklos in denen Hoden von unten angesprungen wurden oder von der Frau in der Waschküche in der Johannisstrasse, die nach langem Stillestehen, währenddessen sie das Waschbrett bearbeitet hatte, einen Schritt tat und von einer Ratte ins Bein gebissen wurde, deren Kiefer sich verkrampfte. So verkrampfte, dass sie mit der Ratte am Bein zur Notaufnahme rennen mußte.
Die Bilder saßen, sitzen tief in meinem Hirn. 


Eine tote Ratte im Mülleimer und ich trug meinen Müll wochenlang ins Theater, Pullern im Gebüsch und eine interessiert zuschauende Ratte ließ mich schreiend, mit knöchelumwehenden Höschen, auf den mit Touristen bepackten Boulevard rasen. (Niedliche kuschlige Punkratten sind nicht das gleiche.)


Ratz - Ratte, aber auch Siebenschläfer.

ratzekahl - so nackt wie der Schwanz der Ratte oder ein Ort, an dem Ratten alles weggefressen haben.

ratzen - schlafen wie ein Siebenschläfer

ratzfatz - sehr schnell - mundartlich „ratz“ = „schnell“ und „fatzen“ = „zerfetzen - dalli dalli oder ruckzuck, auch Knall auf Fall. Schnell wie ein Superschütze, es knallt und schon fällt das Wild, also eigentlich Fall auf Knall.

Ratzefummel - für den Bleistift, was der Tintenkiller für den Füller ist.

Die Ratten verlassen das sinkende Schiff - letztmöglicher Zeitpunkt um lebend zu entkommen.

Widerliches Machwerk: Der Ewige Jude Regie Fritz Hippler - Wo Ratten auch auftauchen, tragen sie Vernichtung ins Land, zerstören sie menschliche Güter und Nahrungsmittel. […] Sie sind hinterlistig, feige und grausam und treten meist in großen Scharen auf. Sie stellen unter den Tieren das Element der heimtückischen, unterirdischen Zerstörung dar – nicht anders als die Juden unter den Menschen."

Rattenfänger - in Hameln flötenspielender Kammerjäger, dann wegen verweigerter Bezahlung, Verführer musikbegeisterter Kinder. Heute, jeder, der Idioten überzeugt, dass sie tun, was er will.

Ratatouille - Pixarfilm über die Kochleidenschaft einer französischen Wanderratte

einen Rattenschwanz nach sich ziehen - ich will wissen, was ratzekahl bedeutet und schreibe über meine Rattenphobie.

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