Sonntag, 18. Dezember 2016

"Affe" in der Neuköllner Oper

Heute abend in der Neuköllner Oper habe ich, wieder einmal, eine für mich exotische Welt erlebt. Parties, Hip-Hop, Sex, Drogen & Alk, verlorene Nächte und verlorene Freunde. Gut, bis auf die Drogen kenne ich diese Dinge schon, aber "*das war in einem anderen Land" und ist also schlecht zu vergleichen.
 

John von Düffel und Fabian Gerhardt haben das Buch geschrieben, Fabian Gerhardt auch die Regie geführt, Peter Fox "Stadtaffe" lieferte die Lieder, umarrangiert, einstudiert und gespielt wurden sie von Fred Sauer (beim Spielen hat er Beistand von fünf anderen Musikern) und Stella Caric choreographierte.

6 Spieler und 6 Musiker schmeißen sich in die Geschichte wie Schweine in den Mist, und ich möchte das als hohes Kompliment verstanden wissen. 

Wie verliert sich ein Mensch im schwarzen Loch des immer gerade nicht greifbaren ultimaten Vergnügens, verzweifelt auf der Suche nach der letzten Ekstase, darüber die Mühen von Freundschaft und Mitgefühl vergessend?
Toll gespielt, toll getanzt und gesungen (auch wenn ich einiges akustisch verpaßt habe) und immer, bei aller extremen emotionalen Intensität doch intelligent und verspielt. 
Und ein verflixt gut nutzbares Bühnenbild hatten sie (Michael Graessner), bei dem technisch sichere, aber optisch gefährliche zweigleisige Balancierseile, eine zweite Etage boten. Das, Gott sei Dank, unaufdringliche Dauerbegleitvideo hätte ich nicht gebraucht, aber das mag wohl meinem Alter geschuldet sein. 

 
Die Spieler in meiner subjektiven Beliebtheits-Reihenfolge:
Anton Weil
Sergeij Lubic
Sohel Altan Gol
Rubini Zöllner
Achan Molanda
Amy Benkenstein

Der Abend ist sehr sehr ausverkauft. Traurige Menschen, die sogar von der Warteliste ausgeschlossen waren, wanderten vor dem Eingang hin und her. Am 5. Januar soll die Derniere sein, aber wenn es noch eine Restintelligenz in der Berliner Theaterszene gibt, ist das eine dumme Ente. In London würde der Abend ins West End wechseln, in New York an den Broadway Aber wir sind hier in Deutschland, und Musicals gelten als Mängelware. Entertainment wurzelt eben im Wort enter = eintreten, Unterhaltung halt nur in unter, drunter, eben weniger wertvoll. 

Wie sähe unsere heutige Kunstszene aus, wären unsere hochbegabten Entertainment-Produzenten 1933 nicht nahezu vollständig aus dem Land gejagt oder gar vergast worden?
 
* "But that was in another country, and besides, the wench is dead." 
"Aber das war in einem anderen Land und außerdem ist das Mädchen tot."
Marlow Der Jude von Malta

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