Montag, 14. März 2016

Ich habe Schnupfen


DER SCHNUPFEN

aus "Die Kahle Sängerin" von Eugene Ionesco


HAUPTMANN
Der Schnupfen: Mein Schwager hat väterlicherseits einen leiblichen Neffen, dessen Onkel einen Schwiegervater hatte, von dem ein Großvater in zweiter Ehe eine junge Einheimische heiratete, deren Bruder auf einer weiten Reise einem Mädchen begegnete, in das er sich verliebte und mit ihr einen Sohn zeugte, der seinerseits eine mutige Apothekerin zur Frau nahm, welche niemand anderes war als die Nichte eines unbekannten Quartiermeisters der britischen Marine, deren Adoptivvater eine Tante aufwies, welche fließend spanisch sprach und die vielleicht eine der Enkelinnen eines frühverstorbenen Ingenieurs gewesen war, der wiederum der Enkel eines Rebenbesitzers war, der zwar einen mittelmäßigen Wein züchtete, dafür aber einen Großneffen hatte, dessen Sohn eine ausnehmend hübsche, junge, aber geschiedene Frau ins Ehebett bekam, deren erster Gatte der Sohn eines aufrichtigen Patrioten war, der es verstanden hatte, seine andere Tochter im Wunsche, ein Vermögen zu gewinnen, groß zu ziehen, und die einen Jäger heiraten durfte, der Rothschild gekannt hatte und dessen Bruder, nach öfterem Berufswechsel, sich dann doch verehelichte, eine Tochter bekam, deren schmalbrüstiger Urgroßvater eine Brille trug, die ihm ein eigener Neffe geschenkt hatte, nämlich der Schwager eines Portugiesen, der natürliche Sohn eines nicht sehr armen Müllers, dessen Milchbruder die Tochter eines ehemaligen Landarztes zur Frau genommen hatte, der selber der Milchbruder des Sohnes eines Milchmannes gewesen war, der sich später als natürlicher Sohn eines ändern Landarztes herausstellte, der sich dreimal verheiratete und dessen dritte Frau . . .
MR. MARTIN
Ich habe diese dritte Frau gekannt, wenn ich mich nicht irre. Sie aß Hühnchen in einem
Wespennest.
HAUPTMANN

Das ist nicht dieselbe.
MRS. SMITH
Pst!
HAUPTMANN
Ich sagte: . . . dessen dritte Frau die Tochter der besten Hebamme der Gegend war,
welche, frühzeitig Witwe geworden ...
MR. SMITH
Wie meine Frau l
HAUPTMANN
... sich wiederverheiratete mit einem schwungvollen Glaser, der ein Kind gezeugt hatte
mit der Tochter eines Bahnhofsvorstandes, der seine Laufbahn ...
MRS. SMITH
Seine EisenbahnI
MR. MARTIN
Wie beim Kartenspiel!
HAUPTMANN
... zu machen verstand und eine Krämerin von neunzehn Lenzen heiratete, deren Vater
einen Bruder aufwies, den Bürgermeister einer Kleinstadt, der sich zur Frau eine blonde Lehrerin genommen hatte, deren Neffe, ein Fischer...
MR. MARTIN
Giftmischer ...
HAUPTMANN
. . . eine zweite blonde Lehrerin zur Frau genommen hatte, welche auch Marie hieß,
deren Bruder eine dritte Marie ehelichte, ebenfalls eine blonde Lehrerin ...
MR. SMITH
Wenn sie blond ist, kann sie nur Marie heißen.
HAUPTMANN
. .. und deren Vater in Kanada von einer alten Frau aufgezogen wurde, die die Nichte
eines Pfarrers war, dessen Großmutter im Winter manchmal, wie alle Leute, einen Schnupfen bekam.
MRS. SMITH
Was für eine merkwürdige Geschichte! Kaum zu glauben!
MR. MARTIN
Wer den Schnupfen kriegt, muss schauen, dass er im Bade liegt.
MR. SMITH
Diese Maßnahme ist unnütz, aber absolut notwendig.
MRS. MARTIN
Entschuldigen Sie, Herr Feuerwehrhauptmann, aber Ihre Geschichte ist mir noch nicht
ganz klar. Ganz am Schluß, die Sache mit dem Kanonikus, scheint mir ein Lapsus.
MR. SMITH

Pfarren heißt knarren, das heißt: ein Kanonikus ist immer ein Lapsus.
MRS. SMITH
Ach, Hauptmann, fangen Sie von vorne an! Wir alle wünschen es.

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