Samstag, 1. März 2014

PHILOMENA ODER JUDY DENCH IST WUNDERSCHÖN


Stephen Frears hat einige Filme gemacht, die ich sehr gern habe. 

Mein wunderbarer Waschsalon - My beautiful Laundrette 1985, Gefährliche Liebschaften - Dangerous Liaisons 1988, High Fidelity 2000, The Queen 2006.

Keiner dieser Filme hat bemerkenswerte Spezialeffekte. Leute, gespielt von großartigen Schauspielern, sitzen, stehen, gehen und reden miteinander, gegeneinander und manchmal aneinander vorbei, Gesichter, Hände, ungelenke Berührungen, gewöhnliche Umgebungen. 
In The Queen gibt es eine Liebesszene zwischen einem Rotwild und der englischen Königin (Helen Mirren), in Mein wunderbarer Waschsalon versuchen sich ein pakistanischer Waschsalonbesitzer und ein Punk, gespielt von Daniel Day Lewis bevor er an seine eigene schauspielerische Großartigkeit glaubte, an der Liebe, in den Gefährlichen Liebschaften guckt John Malkovich in einer Einstellung so, dass ich an die Tödlichkeit der Liebe glaubte, der Held von High Fidelity (John Cusack) macht verzweifelte Top-Five-Listen für jegliche Gelegenheiten. 
Niemand stirbt, oder wenn, dann nur an dem, woran wir alle sterben, am Leben.
Und jetzt, ein Film, der von der Gefährdung des Kitsches nahezu verunmöglicht werden müsste: Eine ältere irische Frau sucht ihr uneheliches Kind, dass sie vor vielen Jahren in einem Kloster zur Welt brachte und das, ohne ihre Einwilligung, adoptiert wurde. Ein Journalist in eigener Lebenskrise bietet ihr an, bei der Suche zu helfen. 
Jede mögliche Vorlage für gefühlsseligen Quark ist gegeben, Sentimentalität droht aus allen Richtungen, aber Judy Dench, Steve Coogan (Darsteller & Drehbuchschreiber) und Frears schaffen es, um all diese unumschiffbaren Klippen mit ernsthafter Leichthaftigkeit herum zu manövrieren. Ja, auch eine humorlose, ungebildete Frau um die 70 hat das Recht auf Tragik. Ihre Frisur allein verdient schon den Frisuren-Oscar! Meine polnische Tante hat sich zu wichtigen Anlässen die Haare auf genau diese Weise in geometrisch geordnete Locken legen lassen. 
In einer Szene beschreibt die Liebhaberin von Liebesschmonzetten den Inhalt einer derselben dem intellektuell über- oder unterforderten Journalisten, da gab es nichts als die Stimme und das begeisterte Gesicht von Dame Judy und die fassungslose Hilflosigkeit des Zuhörers - kennt ihr dieses innerliche Intensiv-Kichern? Passiert mir selten und ist mir deshalb umso kostbarer.
Judy Dench ist ein seltenes Schauspielwunder! Ob in ihren 5 oder 8 Minuten in Shakespeare in Love (Das brachte ihr einen Oscar!), oder als "M" in James Bond, oder gänzlich uneitel in Tagebuch eines Skandals (Notes on a Scandal), immer läßt sie mich teilhaben, verstehen, einverstanden sein oder, was noch besser ist, sie fordert meine Ablehnung heraus. 
Sie ist ein Mensch.

Der Mensch denkt und Gott lacht.
hebräisch: .דער מענטש טראַכט און גאָט לאַכט
jiddisch: Der mentsh trakht un got lakht.


Kein großer Film, ein großer kleiner Film. Eine besonders kostbare Kleinigkeit.

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