Dienstag, 25. Februar 2014

Geschichte selbst mißbraucht


Geschichte - ein weites Wort. 

Wiki sagt:
Geschichte im allgemeinen Sinn bezeichnet alles, was geschehen ist. Im engeren Sinne ist Geschichte die Entwicklung der Menschheit, weshalb auch von Menschheitsgeschichte gesprochen wird (im Unterschied etwa zur Naturgeschichte). In diesem Zusammenhang wird Geschichte gelegentlich synonym mit Vergangenheit gebraucht. Daneben bedeutet Geschichte aber auch die Betrachtung der Vergangenheit im Gedenken, im Erzählen und in der Geschichtsschreibung.


Das Wort ist gar viele Wörter, Schichten von Geschehnissen, geschichtete Zeit, übereinander, nebeneinander, ineinander, vergangen und gegenwärtig, zukünftig, die nächste Sekunde ist, kaum gedacht, auch schon Geschichte. Wir hetzen immer geradeso vor der Geschichte her, irgendwann holt sie uns dann ein, wir sterben und werden, ein nunmehr inaktiver, Teil von ihr.

Zu allen Zeiten wurden (und werden) Teile der Menschheit von anderen Teilen derselben ausgebeutet, mißbraucht, benachteiligt, umgebracht und meist werden, die einst Unterlegenen, nach Umstürzen selber zu Unterdrückern. Die Befähigung zum Machtmißbrauch ist in uns allen angelegt. Nicht vielen und immer nur Einzelnen gelingt es, wenn sie die Möglichkeit dazu bekommen, dem Sog zu widerstehen und alle bisherigen Versuche Utopien zu realisieren, sind an diesem bedauerlichen Fakt gescheitert. 

Geschichte ist auch, wo wir herkommen, wem wir uns zuordnen, wem wir mißtrauen, und sollte uns doch genügend Freiheit lassen diese Verbindlichkeiten zu verändern, neu zu ordnen und anders zu leben. 

Wann aber wird Geschichte zur Ausrede, zur Zuflucht, um unsere erwünschte Andersartigkeit zu untermauern, Vorurteile zu verfestigen oder uns in der Illusion zu beruhigen, dass früher alles besser war? 

Wären es solche wie wir gewesen, die die Herrschaft ausgeübt hätten, wäre alles anders, besser geworden?

Warum haben wir es so sehr nötig, dass wir besonderer sind als jemand anderes? Und die Geschichte muß dann, ob sie mag oder nicht, als Untermauerung unserer Einzigartigkeit herhalten.

Ich bin anderer, besser, wahrer, echter als Du. Daraus folgt:

1. Wir, wer auch immer dieses imaginäre "Wir" sein mag, sind über Jahrhunderte, Jahrtausende schlecht behandelt worden -  Wer ist dieses fabelhafte "Wir"? 
"Wir" ... man mag einsetzen welcher Gruppe, auch mehrere sind möglich, man selber zugehört.
2. Die Unterdrückung, Verfolgung, Mißhandlung ist geschichtlich nachweisbar. Sie gehört, wenn sie noch andauert, abgeschafft. Keine Frage. Das darf keine Frage sein. Allerdings, fällt mir auf, wird die ökonomische Ungerechtigkeit, die doch Basis aller anderen ist, hier oft sträflich vernachlässigt. Esoterische, spirituelle, auch nur vage gefühlte innere Bindungen zu Völkern, Gruppen,  werden bevorzugt, da sie unkonkreter sind, und somit nicht zu harten, das eigene Leben ungemütlich machenden, Kämpfen verpflichten.
3. Die Gruppe muß möglichst Qualitäten aufweisen, die im angesagten Trend liegen. Wobei diese Qualitäten, wie in einer Zeitblase, als unveränderlich, grundlegend besser, naturnäher, wahrer etc. angesehen werden. 
4. Unsere Andersartigkeit muß ge-, verfestigt werden. Sonst stehen wir plötzlich nur als wir selbst herum. So wie wir sind. Was eigentlich genügt, aber halt nicht  schick, nicht besonders wichtig, nicht rechtfertigend ist.
5. Ideal ist Besonderheit ohne besondere Anstrengung, die sich eignet gleichzeitig als Eintrittskarte zu einer Opfergruppe und Mitgliedschaft in einem exclusiven Club, verwendet zu werden.

Unsere Welt ist voll von schreiender Ungerechtigkeit. Warum müssen wir sie auch noch nach selbstsüchtigen Qualitätsnormen sortieren? Solange jemand hungert, dürstet, benachteiligt, vernachlässigt wird, sollte dies doch genügen, zornig zu sein?
Nein, wir brauchen einen abgesonderten Ort, von dem aus wir Urteile fällen können.
Wir betrachten dann nicht unsere eigene Situation und unseren subjektiven Anteil daran, sondern setzen uns ab, machen uns unkritisierbar, indem wir nicht selbst erfahrene, sondern in Besitz genommene, usurpierte Not, zur eigenen erklären.

Vor nicht allzulanger Zeit hatte ich eine Diskussion über den politisch korrekten Namen dunkelhäutiger Bürger der USA, deren Vorfahren einstmals unter gräßlichsten Bedingungen aus Afrika nach Nordamerika verschleppt wurden, um dort als Sklaven verkauft zu werden. Mir wurde versichert, dass Afro-Amerikaner die einzig korrekte Bezeichnung wäre. Warum? Mein Diskussionspartner war gebürtiger New Yorker und lebt jetzt in Spanien. Was hat er noch mit Afrika zu tun?

Vor läppischen 2000 Jahren sind meine Vorfahren durch Galiläa gelaufen und trotzdem würde ich nicht erwarten, dass mich jemand als Israel-oder Judäo-Deutschen bezeichnet (Ich rede hier vom historischen Reich Israel!) Im Gegenteil, ich würde demjenigen ein gutberlinerisches "Du spinnst wohl!" entgegnen. 
Ich bin, wie jeder, die Summe meiner Teile und keines davon bestimmt mich ausschließlich.
  
Kinder aus aller Welt mit ihren Spielsachen 

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