Freitag, 28. Februar 2014

Der Bleistift der Natur - William Henry Fox Talbot

„Man muß sich darauf gefaßt machen, daß so große Neuerungen die gesamte Technik der Künste verändern, dadurch die Invention selbst beeinflussen und schließlich vielleicht dazu gelangen werden, den Begriff der Kunst selbst auf die zauberhafteste Art zu verändern.“
Paul Valéry in Pièces sur l’art, ein Zitat, dass Walter Benjamin seinem Text "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" voransetzte.


WILLIAM HENRY FOX TALBOT

Mister Talbot, geboren am 11. Februar 1800 in Melbury in der Grafschaft Dorset und gestorben am 17. September 1877 in Lacock Abbey, in der Grafschaft Wiltshire war ein wohlhabender englischer Privatgelehrter & Erfinder mit breitgefächerten wissenschaftlichen Interessen, unter anderem, auf den Gebieten der Politik, Chemie,Botanik, Astronomie,  Mathematik, Philosophie und Altertumsforschung. Er war z.B. einer der ersten Übersetzer von Keilschrifttexten aus Niniveh.

Ein Bericht über die Kunst fotogenen Zeichnens, oder der Prozess, durch den Gegenstände der Natur veranlasst werden, sich selbst abzuzeichnen, ohne den Stift eines Künstlers, ist der Titel eines Traktates, das W.H.F. Talbot 1839 veröffentlichte. 

Was für eine treffend schöne Beschreibung des Ursprungsgedanken der Photographie.


Es begann, als er feststellte, dass er nie ein guter Zeichner werden würde, selbst nicht mit Hilfe, der damals vorhandenen Hilfswerkzeuge, wie zum Beispiel der Camera lucida. Zwischen Blick und Abbild versagte das Talent.  

Er experimentierte mit verschiedenen Chemikalien. Um 1834 präparierte er Schreibpapier mit Lösungen von Kochsalz und Silbernitrat und machte sie dadurch lichtempfindlich. Dann legte er undurchsichtige Objekte darauf und setzte das Papier der Sonne aus. Die belichteten Partien verfärbten sich dunkel, die übrigen blieben hell.(Wiki) Diese Versuche trieb er weiter, bis die Beschichtung so empfindlich war, dass er eine Kamera benutzten konnte, also kein direkter physischer Kontakt zwischen Objekt und Photopapier mehr nötig war, dann entwickelte ein Freund ein Verfahren mit dem die Bilder "fixiert" werden konnten, dies nun schon im Wettrennen mit dem Franzosen Daguerre, der zeitgleich eine gänzlich andere Methode der Haltbarmachung visueller Eindrücke entwickelt hatte.  
Dann mußte noch ein Weg entwickelt werden, dass Negativ in ein Positiv umzuformen. All dies gelang.
Die Aufnahme erfolgte auf Jodsilberpapier, wurde in Gallussäure und Silbernitrat entwickelt, in Natriumthiosulfat fixiert, durch Baden in Wachs transparent gemacht und schließlich wiederum auf Jodsilberpapier zum Positiv umkopiert. (Wiki)
Aber Daguerre wurde als erster öffentlich anerkannt und gilt seitdem als Erfinder der Photographie, Talbot hatte das Nachsehen.

Beweisführung vor Gericht mit Hilfe von Photographien, war eine der Verwendungen, die er betreffs der Nützlichkeit, Verwendbarkeit seiner Erfindung ins Feld führte, eine andere war, "der Photographierende, entdeckt bei der genauen Betrachtung, vielleicht sogar erst viel später, dass er viele Dinge dargestellt hat, die er zum Zeitpunkt des Photographierens nicht bemerkt hat." Toll!

"Es ist wichtig zu wissen, dass die Bildplatten die jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt werden, die Bilder selbst sind, die durch die Einwirkung von Licht zustande kamen, und keine Imitationen ... Die Platten ... werden mit großer Sorgfalt angefertigt, ausschließlich durch optische und chemische Prozesse. Es ist nicht beabsichtigt, sie irgendwie zu verändern, und die Szenen, die dargestellt werden, werden nichts als die echten Berührungen des Bleistiftes der Natur enthalten." W.H.F. Talbot

„It must be understood that the plates of the work now offered to the public are the pictures themselves, obtained by the action of light, and not imitations of them (...) The plates of the present work will be executed with the greatest care, entirely by optical and chemical processes. It is not intended to have them altered in any way, and the scenes represented will contain nothing but the genuine touches of Nature’s Pencil.“
 Spitze 1845

„Ich behaupte nicht, eine Kunst zur Perfektion gebracht zu haben, aber ich habe etwas begonnen, dessen Grenzen heute noch nicht genau zu bestimmen sind.“ W.H.F.Talbot

 Heuhaufen 1844

ERINNERUNG AN DIE MARIE A.

1
An jenem Tag im blauen Mond September
Still unter einem jungen Pflaumenbaum
Da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe
In meinem Arm wie einen holden Traum.
Und über uns im schönen Sommerhimmel
War eine Wolke, die ich lange sah
Sie war sehr weiß und ungeheuer oben
Und als ich aufsah, war sie nimmer da.
2
Seit jenem Tag sind viele, viele Monde
Geschwommen still hinunter und vorbei
Die Pflaumenbäume sind wohl abgehauen
Und fragst du mich, was mit der Liebe sei?
So sag ich dir: Ich kann mich nicht erinnern.
Und doch, gewiß, ich weiß schon, was du meinst
Doch ihr Gesicht, das weiß ich wirklich nimmer
Ich weiß nur mehr: Ich küsste es dereinst.
3
Und auch den Kuss, ich hätt' ihn längst vergessen
Wenn nicht die Wolke da gewesen wär
Die weiß ich noch und werd ich immer wissen
Sie war sehr weiß und kam von oben her.
Die Pflaumenbäume blühn vielleicht noch immer
Und jene Frau hat jetzt vielleicht das siebte Kind
Doch jene Wolke blühte nur Minuten
Und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind.

Bertolt Brecht

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/william-henry-fox-talbot-the-pencil-of-nature-zum-bild-wird-hier-die-zeit-1628149.html 
 

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