Freitag, 4. Oktober 2013

Tag der Republik - Unsere Hymne


Wir, ich meine, mich und all die anderen Deutschen, haben, soweit ich weiss, die peinlichste Hymne von allen denkbaren. Deutschland, und noch einmal wiederholt, Deutschland über ALLES? Über was? Über China? Über die Türkei? Überdrüssig? Übermütig? Überhaupt?
Hanns Eisler, der Komponist der DDRischen Hymne hat es auch nicht besser hingekriegt, und Johannes R. Becher, verkrampft und verwirrt, lieferte den öden, pseudo-optimistischen Text dazu. Brecht hat ein anderes Angebot gemacht, die Anekdote behauptet, er hätte erstmal "Wir sind ein Scheißvolk" vorgeschlagen - dies wurde nicht angenommen, warum wohl?
Was ist das - ein Volk? Mehrere Millionen Menschen, die sich, in Folge von zufällig entstandenen Konstellationen infolge der Völkerwanderungen, eine geographisch definierte Gegend teilen, eine Sprache? Nation bleibt ein Mysterium für mich. Ich liebe die deutsche Sprache, ich liebe einige Gegenden, die innerhalb des als Deutschland definierten Gebietes liegen. Aber liebe ich Deutschland? Was ist das überhaupt?
Ich mag es, wenn es Buletten, Bach und Büchner vage umschreibt. Aber ich stehe ihm völlig fremd gegenüber, wenn damit ein Recht auf ein Gebiet, eine Qualität gegenüber anderen Völkern definiert wird. Ich bin alles mögliche. Aus Berlin, jüdisch geprägt, deutsch sprechend, weiblich, anglophil. Ich habe Wurzeln in vielen Kulturen, in Hollywood Filmen und in englischen Krimis und deutschen Gedichten. Ich liebe thüringische Leberwurst und französische Croissants und sweet & sour pork.
Ich soll stolz ein Deutscher zu sein? Warum? Was ist meine anteilige Leistung daran? Ich bin stolz ein Jude zu sein? Ebenso.
Ich bin stolz. Auf was? Auf mich.

Kinderhymne

Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand
Daß ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land

Daß die Völker nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reichen
Uns wie andern Völkern hin.

Und nicht über und nicht unter
Andern Völkern wolln wir sein
Von der See bis zu den Alpen
Von der Oder bis zum Rhein.

Und weil wir dies Land verbessern
Lieben und beschirmen wir's
Und das liebste mag's uns scheinen
So wie andern Völkern ihrs.

Bertolt Brecht

Das Lied der Deutschen, auch Deutschlandlied oder seltener Hoffmann-Haydn’sches Lied genannt, wurde von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben am 26. August 1841 auf der – seinerzeit britischen – Insel Helgoland gedichtet. Das Lied wurde am 5. Oktober 1841 auf dem Jungfernstieg in Hamburg erstmals öffentlich gesungen. Die Melodie stammt ursprünglich aus dem 1797 entstandenen Kaiserlied von Joseph Haydn, der offiziellen Volkshymne „Gott erhalte Franz, den Kaiser“ für den damaligen römisch-deutschen Kaiser Franz II. aus dem Haus Österreich. Später verwendete Haydn diese Melodie im zweiten Satz des Kaiserquartetts. Hoffmann von Fallersleben stellte durch die Verwendung der bekannten Melodie für den Kaiser eine Verbindung zum Alten Reich her. Im Mittelpunkt seines Liedes stand jedoch nicht mehr ein Monarch, sondern die Nation selbst.

2 Kommentare:

  1. Im Gedenken an meinen verstorbenen Mentor wurde sich bei der Trauerfeier erinnert an die Tage nach dem Mauerfall. In Rostock Lütten Klein wurde im kleinen Kreis die Republik Südschweden ausgerufen. Und die neue Hymne sollte genau die sein. Die Kinderhymne. Sie wurde bei der Trauerfeier vorgetragen.
    Mein Neffe hat mich gefragt, was ich am 3. Oktober gemacht habe. Wo ich war. Wie ich den Tag erlebt habe. Ich habe keinerlei Erinnerung an diesen Tag. Musste ich gestehn. Naja, kein Geständnis, ich stehe zu meiner keiner Erinnerung. Ich weiß genau, wo ich war, was ich gedacht und getan und gefühlt habe, als die Mauer gestürmt wurde. Und fiel. Die ersten Monate danach, ja wer nicht. Und ich weiß auch sehr genau, daß es am 3. Oktober gelaufen war. Alle Chancen verpasst, einer eigenständigen Veränderung oder eines Zusammenschlusses , einer Vereinigung. Das war das klare Gefühl zu diesem Tag. Es war ein Helmut Kohl Tag.

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    1. Nur Kohls Tag? Meiner auch.
      Mein klares Gefühl in dieser Nacht: ich bin nach 40 Jahren Diktatur nicht mehr Bürger der DDR und die Löcher in der Mauer können nicht wieder zubetoniert werden.

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