Mittwoch, 28. November 2012

Friedrich Engels 28. November 1820





Friedrich Engels wurde am 28. November 1820 in Barmen, heute zu Wuppertal gehörig, geboren.

Die Leute, die sich rühmten, eine Revolution gemacht zu haben, haben noch immer am Tag daraufgesehen, daß sie nicht wußten, was sie taten, daß die gemachte Revolution jener, die sie hatten machen wollen, durchaus nicht ähnlich sah.
F. E. in einem Brief vom 23. April 1885 an V. I. Sassulitsch



Um 1839 mit 19 Jahren, noch ohne Bart.

Friedrich Engels - Auszug aus

Briefe aus dem Wuppertal

Geschrieben im März 1839 - »Telegraph für Deutschland«


Bekanntlich begreift man unter diesem bei den Freunden des Lichtes sehr verrufenen Namen die beiden Städte Elberfeld und Barmen, die das Tal in einer Länge von fast drei Stunden einnehmen. Der schmale Fluß ergießt bald rasch, bald stockend seine purpurnen Wogen zwischen rauchigen Fabrikgebäuden und garnbedeckten Bleichen hindurch; 

aber seine hochrote Farbe rührt nicht von einer blutigen Schlacht her, denn hier streiten nur theologische Federn und wortreiche alte Weiber gewöhnlich um des Kaisers Bart; auch nicht von Scham über das Treiben der Menschen, obwohl dazu wahrlich Grund genug vorhanden ist, sondern einzig und allein von den vielen Türkischrot-Färbereien. ... Die Gegend ist ziemlich anmutig; die nicht sehr hohen, bald sanft steigenden, bald schroffen Berge, über und über waldig, treten keck in die grünen Wiesen hinein, und bei schönem Wetter läßt der blaue, in der Wupper sich spiegelnde Himmel ihre rote Farbe ganz verschwinden. Nach einer Biegung um einen Abhang sieht man die verschrobenen Türme Elberfelds (die demütigen Häuser verstecken sich hinter den Gärten) dicht vor sich, und in wenigen Minuten ist das Zion der Obskuranten erreicht. Fast noch außerhalb der Stadt stößt man auf die katholische Kirche; sie steht da, als wäre sie verbannt aus den heiligen Mauern. Sie ist im byzantinischen Stil nach einem sehr guten Plan von einem sehr unerfahrenen Baumeister sehr schlecht ausgeführt; ... 
Von nun an beginnen die langweiligen, charakterlosen Straßen; das schöne neue Rathaus, erst halb vollendet, ist aus Mangel an Raum so verkehrt gesetzt, daß die Fronte nach einer engen, häßlichen Gasse geht. Endlich gelangt man wieder an die Wupper, und eine schöne Brücke zeigt, daß man nach Barmen kommt, wo wenigstens auf architektonische Schönheit mehr gegeben wird. Sowie die Brücke passiert ist, nimmt alles einen freundlicheren Charakter an; große, massive Häuser in geschmackvoller, moderner Bauart vertreten die Stelle jener mittelmäßigen Elberfelder Gebäude, die weder altmodisch noch modern, weder schön noch karikiert sind; überall entstehen neue, steinerne Häuser, das Pflaster hört auf, und ein grader chaussierter Weg, an beiden Seiten bebaut, setzt die Straße fort. Zwischen den Häusern sieht man auf die grünen Bleichen; die hier noch klare Wupper, und die sich dicht herandrängenden Berge, welche durch leicht geschwungene Umrisse und durch mannigfaltige Abwechselung von Wäldern, Wiesen und Gärten, aus denen überall rote Dächer hervorschauen, die Gegend immer anmutiger machen, je weiter man kommt. ... Nachdem der Durchreisende nun Rittershausen passiert hat, verläßt er am Ende der Welt das Bergische und tritt durch den Schlagbaum in das altpreußische, westfälische Gebiet einein.
Das ist die äußere Erscheinung des Tals, die im allgemeinen, mit Ausnahme der trübseligen Straßen Elberfelds, einen sehr freundlichen Eindruck macht; daß dieser aber für die Bewohner verlorengegangen ist, zeigt die Erfahrung. Ein frisches, tüchtiges Volksleben, wie es fast überall in Deutschland existiert, ist hier gar nicht zu spüren; auf den ersten Anblick scheint es freilich anders, denn man hört jeden Abend die lustigen Gesellen durch die Straßen ziehen und ihre Lieder singen, aber es sind die gemeinsten Zotenlieder, die je über branntweinentflammte Lippen gekommen sind; nie hört man eins jener Volkslieder, die sonst in ganz Deutschland bekannt sind und auf die wir wohl stolz sein dürfen. Alle Kneipen sind, besonders Sonnabend und Sonntag, überfüllt, und abends um elf Uhr, wenn sie geschlossen werden, entströmen ihnen die Betrunkenen und schlafen ihren Rausch meistens im Chausseegraben aus. Die gemeinsten unter diesen sind die sogenannten Karrenbinder, ein gänzlich demoralisiertes Volk, ohne Obdach und sichern Erwerb, die mit Tagesanbruch aus ihren Schlupfwinkeln, Heuböden, Ställen etc. hervorkriechen, wenn sie nicht auf Düngerhaufen oder den Treppen der Häuser die Nacht überstanden hatten. Durch Beschränkung ihrer früher unbestimmten Zahl ist diesem Wesen von der Obrigkeit jetzt einigermaßen ein Ziel gesetzt worden.
Die Gründe dieses Treibens liegen auf der Hand. Zuvörderst trägt das Fabrikarbeiten sehr viel dazu bei. Das Arbeiten in den niedrigen Räumen, wo die Leute mehr Kohlendampf und Staub einatmen als Sauerstoff, und das meistens schon von ihrem sechsten Jahre an, ist grade dazu gemacht, ihnen alle Kraft und Lebenslust zu rauben. Die Weber, die einzelne Stühle in ihren Häusern haben, sitzen vom Morgen bis in die Nacht gebückt dabei und lassen sich vom heißen Ofen das Rückenmark ausdörren. Was von diesen Leuten dem Mystizismus nicht in die Hände gerät, verfällt ins Branntweintrinken. Dieser Mystizismus muß in der frechen und widerwärtigen Gestalt, wie er dort herrscht, notwendig das entgegengesetzte Extrem hervorrufen, und daher kommt es hauptsächlich, daß das Volk dort nur aus »Feinen« (so heißen die Mystiker) und liederlichem Gesindel besteht. Schon diese Spaltung in zwei feindselige Parteien wäre, abgesehn von der Beschaffenheit derselben, allein imstande, die Entwicklung alles Volksgeistes zu zerstören, und was ist da zu hoffen, wo auch das Verschwinden der einen Partei nichts helfen würde, weil |418| beide gleich schwindsüchtig sind? Die wenigen kräftigen Gestalten, die man dort sieht, sind fast nur Schreiner oder andre Handwerker, die alle aus fremden Gegenden her sind; unter den eingebornen Gerbern sieht man auch kräftige Leute, aber drei Jahre ihres Lebens reichen hin, sie körperlich und geistig zu vernichten; von fünf Menschen sterben drei an der Schwindsucht, und alles das kommt vom Branntweintrinken. Dies aber hätte wahrlich nicht auf eine so furchtbare Weise überhandgenommen, wenn nicht der Betrieb der Fabriken auf eine so unsinnige Weise von den Inhabern gehandhabt würde, und wenn der Mystizismus nicht in der Art bestände, wie er besteht, und wie er immer mehr um sich zu greifen droht. Aber es herrscht ein schreckliches Elend unter den niedern Klassen, besonders den Fabrikarbeitern im Wuppertal; syphilitische und Brustkrankheiten herrschen in einer Ausdehnung, die kaum zu glauben ist; in Elberfeld allein werden von 2500 schulpflichtigen Kindern 1200 dem Unterricht entzogen und wachsen in den Fabriken auf, bloß damit der Fabrikherr nicht einem Erwachsenen, dessen Stelle sie vertreten, das Doppelte des Lohnes zu geben nötig hat, das er einem Kinde gibt. Die reichen Fabrikanten aber haben ein weites Gewissen, und ein Kind mehr oder weniger verkommen zu lassen, bringt keine Pietistenseele in die Hölle, besonders wenn sie alle Sonntage zweimal in die Kirche geht. Denn das ist ausgemacht, daß unter den Fabrikanten die Pietisten am schlechtesten mit ihren Arbeitern umgehen, ihnen den Lohn auf alle mögliche Weise verringern, unter dem Vorwande, ihnen Gelegenheit zum Trinken zu nehmen, ja bei Predigerwahlen immer die ersten sind, die ihre Leute bestechen... 






J.P. Bemberg, Barmen-Rittershausen - Türkischrothgarn-Färberei

Türkischrot-Färberei - Mit Türkischrot ist kein bestimmter Farbton gemeint, sondern ein eigentümliches Verfahren, das allerdings prächtige rote Nuancen ergibt: Die mit Tonerde gebeizten und anschließend mit verseiftem Rizinusöl, Kuhblut und -dung vorbehandelten Baumwollfasern wurden dann mit Alizarin (Farbstoff der Krappwurzel) gefärbt und zuletzt gedämpft. Das davon gefertigte Gewebe war wasch-, licht-, säure- und alkaliecht.




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