Mittwoch, 12. Oktober 2011

Melancholia oder ich bin trauriger als ihr

Heute abend habe ich "Melancholia" von Lars von Trier gesehen ... bis zur Hälfte der möglichen 130 Minuten. Ich schwöre, ich war besten Willens, nach mehrfacher vorheriger positivster Einstimmung, einen hingerissenen Kinoabend zu verbringen. Ich schwöre!

Die ersten 7 Minuten sind grandios. Die Wucht der Bilder haut einen in den Kinosessel und läßt den Atem stocken - vielleicht vergleichbar mit der Eröffnungssequenz von Kubricks "2001". Und dann bekommen wir die Erklärung für die Visionen nachgeliefert. Wie sehr schade.

Im Prolog ist Pieter Breughels Winterbild eines der parabelhaften Zitate. Ein wunderbares Gemälde, das ich nie "zu Ende" betrachten werde. Aus der Fülle der angebotenen Details, wählt Breughel die Vogelfalle zum Titel. Warum? Ein strahlendheller Wintertag, Menschen vergnügen sich auf dem Eis. Wird es halten? Ganz nebenbei wird den Vögeln die Freiheit geraubt, sie werden getötet. Ganz nebenbei. Die lubricitas vitae, die Unsicherheit des Daseins, in scheinbar zufälligem und dadurch herzzerreissendem Nebeneinander von Tod und ausgelassenem Leben.


Pieter Breughel der Ältere oder Jüngere - Winterlandschaft mit Vogelfalle

Bei Lars von Trier ist nichts nebenbei. Ich darf nichts entdecken. Es wird mir "aufs Auge gedrückt", in den Hals geschrien und in die Ohren gepresst. (Der erbarmungslose Wagner - Soundtrack hat mich regelrecht gelähmt.) Hier wird beabsichtigt! Justine (Kirsten Dunst) ist traurig, die Welt geht zu Ende und niemand, außer ihr, begreift. 

Depression ist eine furchtbare Krankheit und ich verneige mich vor jedem, der es fertigbringt ihr ein Leben abzuzwingen. Aber sie ist kein elitärer Berechtigungsschein für Empfindsamkeit. Ich weiß, das klingt zynisch, ich meine es aber ernst. Der Zynismus liegt, so meine ich, auf der Seite des Regisseurs, der die Selbsterfahrungsreise einer mittelmäßigen Schauspielerin zu eigenen, selbstrechtfertigenden Zwecken benutzt.

Als ich vor vielen Jahren "Breaking the Waves" gesehen habe, war das für mich wie, wenn man mir die Augen geöffnet hätte. Bedingungslosigkeit der Hingabe in Liebe, Rettung durch Selbstaufgabe - und alle Zweifel waren eingeschlossen. In "Melancholia" wird nicht mehr gezweifelt. Es wird, von unten herauf belehrt. 

1 Kommentar:

  1. Michael Dressel Wow , you really, really hate that thing. Can't wait to see it.

    Bettina Rehm das spricht mir aber aus dem herzen. ging mir genauso, wobei mir die ersten 7 minuten durch den "sound" (wieso eigentlich tristan vorspiel) auch vergällt wurden.

    Axel Holsta
    der regisseur is eh ein scharlatan und angeber. er packt verrückterweise den mainstream und seine darsteller immer bei so einem diffusen (konfessionellen) schlechten gewissen und da wollen sie alle mitmachen. Ich glaube asiaten würden den seine filme für schlechte komödien halten. Ich bin ihm aber dankbar denn nach halbstündigem abbruch des films hatten wir einen wunderschönen abend im restaurant und haben uns gegenseitig mit sushiplaneten bedroht die wir dan gefressen haben.

    Axel Holsta übrigens dieser antichrist ist ja auch ganz harter tobak.

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