Mittwoch, 15. Juni 2011

Patrice Chéreau - La Reine Margot - Die Bartholomäusnacht


Manchmal brauche ich Monumentalfilme. Dies wird ein etwas mäandernder Ausflug, der erst auf einigen Umwegen zu Chéreaus Film wandern wird.

1916 drehte D.W. Griffith seinen Film "Intoleranz".

Tolerieren, vom lateinischen "erdulden" entlehnt, führt zum vielgenutzten Wort Duldsamkeit, alias Toleranz, einer Tugend, die mir immer schon einen fragwürdigen Beigeschmack zu haben schien. Klingt nach Herablassung, im Besitz der eigenen Gewissheiten, lässt man den ANDEREN in seinem Unsinn gewähren, weil man es sich eben leisten kann. Aber das hier nur am Rande.

David Wark Griffith, 1875 geboren, glühender Südstaatler und demzufolge Rassist, war nichtsdestotrotz ein erstaunlicher Filmemacher grandios, schamlos sentimental und bildgewaltig. In "Die Geburt einer Nation" ("Birth of a nation") hatte er den amerikanischen Bürgerkrieg und seine Folgen aus der Sicht des besiegten Südens bebildert. Der Film ist eine atemberaubende Mischung aus übler weißer Propaganda für Klu-Klux Clan und Rassentrennung und tränenersticktem Traum von der Restauration imaginierter goldener Zeiten, aber eben auch voll starker, überraschender Bilder. Leni Riefenstahl löst bei mir ähnlich Risse in der Wahrnehmung aus.

Alle Schwarzen in größeren Rollen werden, deutlich erkennbar von dunkel geschminkten Weissen gespielt.
Der Film, an 44ster Stelle der Top 100 amerikanischen Filme des American Film Institutes stehend, wird noch heute bei der Rekrutierung von Klu-Klux Clan Mitgliedern verwendet! Nach seinem Erscheinen 1915 blieb er für zwanzig Jahre, der erfolgreichste Hollywood Film, um dann erst von Disneys "Schneewittchen" abgelöst zu werden. Walt Disney war übrigens auch Rassist und Gewerkschaftsfeind und Anti-Kommunist, der eifrig Informationen über die politischen Neigungen seiner Angestellten an das FBI weitergab. Auch das nur am Rande.

"Intoleranz" - Untertitel: Der Kampf der Liebe durch die Jahrhunderte" - ist bombastisch, Nebukadnezars Babylon, die Hinrichtung Jesu, die Bartholomäusnacht und wiederum eine Geschichte aus dem Bürgerkrieg dienen als Vehikel für eine massive und emotional schwerlastige Betrachtung der Folgen von Intoleranz in der menschlichen Geschichte, verbunden durch das wiederkehrende Bild einer melancholischen Mutter, die eine Wiege schaukelt. Klingt gräßlich, ist aber visuell großartig, grauenhaft langatmig und gelegentlich unerträglich kitschig, aber von erstaunlicher Faszinationskraft, manisch und überlastet, aber als Teil der Filmgeschichte nicht auslassbar. Angucken, aushalten, aufregen. 

Schwarzer Zentaur bedient Weissen Zentaur in Fantasia (Nicht in der veröffentlichten Version!)
Eine der vier Episoden ist die Bartholomäusnacht, in die Geschichtsbücher als die "Pariser Bluthochzeit" eingegangen.
Im August 1572 heirateten Margarete von Valois (Katholikin) und Heinrich von Navarra (Hugenotte), als Teil eines Plans den Religionsfrieden in Frankreich wieder herzustellen. Kurz darauf kam es am 24. August in Paris zu einem grauenhaften Massaker an den zur Hochzeit angereisten und den in Paris lebenden Hugenotten, das sich in Folge bis in die Provinz ausweitete.
Man hört von circa 5000 bis 30 000Toten, je nach Konfession des Berichtenden.
Ein Straßburger Bürger beschrieb es so: „Da setzte überall in Paris ein Gemetzel ein, daß es bald keine Gasse mehr gab, auch die allerkleinste nicht, wo nicht einer den Tod fand, und das Blut floß über die Straßen, als habe es stark geregnet.
Phillip II. von Spanien soll nur einmal in seinem Leben gelacht haben, und zwar als ihm die Nachricht von diesem Massaker überbracht wurde. Den Papst hat es auch gefreut.

Und nun endlich zu "La reine Margot" oder "Die Königin Margot", Margot ist die Koseform von Margarete, basierend auf Alexandre Dumas' Roman gleichen Namens. 
Oder im deutschen dramaturgischen Hilfstitel: Die Bartholomäusnacht, ich weiss, ich wiederhole mich, aber warum fühlen sich deutsche Verleihfirmen dazu berufen, uns mit neuerfundenen Titeln grelle Hinweisschilder für den zu erwartenden Film zu geben? 

 
Toll besetzt, praktisch alles, was in Frankreich 1994 Rang und Namen hatte, spielt auch mit. Isabelle Adjani, Jean-Hugues Anglade, Dominique Blanc, Virna Lisi, Vincent Perez, Daniel Auteuil und sogar unser Thomas Kretschmann! Danielle Thompson hat zusammen mit Chéreau das Drehbuch geschrieben, sie hat auch die Drehbüchern von La Boum - Die Fete, Das Superhirn, Cousin und Cousine und einigen Louis de Funes Filmen gearbeitet. Und die Ausstattung, meine Schwester, die Kostümbildnerin bekommt feuchte Augen bei der Vorstellung, einmal so zuschlagen zu können. Moidele Bickel! Wow! Die Musik ist von Goran Bregowic, der auch die Musik für viele Kusturica Filme geschrieben hat und für "Zug des Lebens" und "Arizona Dream".
Ein Film wie ein wahnsinnig gewordenes Barockgemälde, die historischen Fakten sollte man vorher kennen, die interessieren nicht, aber Chéreau drückt einem Bilder hinter die Augäpfel, bei denen alle äußerlichen Opulenz nur die güldene Tünche über dem Schrecken ist.
"Dieser Durchbruch ins Kannibalische, dieses Wüten von Fleisch gegen Fleisch, diese Todesekstase ist Chereaus wirkliches Thema: mit schreckensweitem Blick hält er das Hauen und Stechen fest und gibt keinen Pardon, auch nicht dem Publikum. Wer die Vision einer Gewaltwelt schaffen will, die gegen sich selbst rast, kommt nicht mit homöopathischen Dosen aus." Urs Jenny Spiegel 39/1994

Ein Monumentalfilm, den ich fünf Mal gesehen habe. Zu viel, viel zu viel, aber gigantisch.

12 Kommentare:

  1. ulrich wildgruber spielt auch mit

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  2. Vorab... ich verbrauche mal wieder gewaltig viele Worte. Die 4.096 Zeichen-Regel schlägt wieder zu. Ich splitte den Kommentar also in zwei Teile. ;)
    Ich war sehr sehr froh diesen Beitrag zu lesen. In ihm stecken Aspekte eines Dilemmas, die ich ebenso nachdrücklich empfinde und bisher keiner Lösung zuführen konnte. Ich nenne das "meine dunklen Sehgewohnheiten". Wenn man mich fragt, welche Definition ich für meine Person als wünschenswert anstrebe, dann würde ich antworten: "Humanist fände ich gut. Ich bin noch nicht so weit, aber ich fände es gut.".
    Anteilig spiegeln meine Sehgewohnheiten das wieder. Als all time favorite gebe ich gerne den Film "Powder" an, was eigentlich alles besagt.
    Neben dem Wust von Indiana Jones, Star Wars& Co. mit dem ich durchaus gerne mein cineastisches Junk Food Bedürfnis stille gibt es auch gewisse Ausschläge in meiner filmischen Ernährung. Manche sind politisch einfach nicht korrekt, andere baden in Blut.
    Zum Beispiel weiß ich, dass mir die Weltansichten von Walt Disney ganz und gar nicht gefallen. Und noch heute schreibt der Konzern männlichen Angestellten die maximale Haarlänge vor, baut seltsam anmutende Städte, nennt sie Celebration, verordnet Zeitpläne für's Rasenmähen und propagiert dort so viel Pleasantvilleharmonie das einen Überkeit ergreifen will. Trotzdem... und trotzdem... ich schmelze bei "Dumbo", ich heule mich durch "Tarzan", ich kichere mich durch "Ratatouille" und man glaube bloß nicht, dass ich bei einer Disney-Karaoke-Party auf die Texteinblendungen schauen müsste... die Soundtracks bevölkern meine CD-Sammlung. Eben trotzdem...
    Etwa im Alter von 12,13,14 Jahren, so genau weiß ich's nicht mehr, sah ich zum ersten Mal Bilder der Olympiaberichterstattung von 1936... ich war geflashed, kein Wort trifft es besser. Ich konnte kaum glauben, dass diese Filme so alt waren. Die Kameraführung war atemberaubend, die Perspektiven innovativ, das Gesamtkonstrukt verführerisch abgeschmeckte Ästhetik... wow, wie weit war diese Frau ihrer Zeit denn voraus gewesen??? Ich berichtete begeistert meiner Mutter. Sie verstand genau, was mich da so umhaute, sie erklärte mir aber auch wie diese Bilder eingesetzt wurden, welchen ideologischen Hintergrund sie transportierten. Ich war beschähmt. Die Bilder hatten funktioniert, auch bei mir. Und ich war sauer, regelrecht wütend, weil es mir unmöglich gemacht wurde das Talent der Filmemacherin restlos zu bewundern. Ich finde Riefenstahls filmische und fotografische Arbeit immer noch gut, eben trotzdem... aber erklärungslos kann man sie nicht bewundern.
    Ich finde Mel Gibsons Ansichten, liebevollst ausgedrückt, fragwürdig, sein Verhalten menschlich inaktzeptabel... sein Film "Apocalypto" hat mich völlig gepackt, in eine fremde, brutale, mystische Welt entführt, voll bildgewaltiger Sprache und mitreißender Darstellung. Kann ich ihn deswegen besser leiden? Nein, aber seinen Film mag ich... eben trotzdem.

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  3. Ich bin friedfertig, ja, im Grunde bin ich das wirklich... aber eines nachts flippte ich in den unmittelbaren Beginn eines Filmes, dessen seltsam artifizielle Machart mich sofort interessierte. Ohne zu wissen, was ich da beim Wickel hatte, blieb ich dran... bis zum Schluß. Eine bluttriefende Reise unvorstellbaren Ausmaßes, Leichenberge, Gewalt, Pathos, metzelnde und gemetzelte Spartaner in unwirklicher Szenerie. Ich bin filmisch nicht zart besaitet, ich kann mir die "Saw"-Reihe vor dem schlafengehen anschauen, aber eine derartig extremistische Huldigung an eine Schlacht ist vermutlich nie zuvor und nicht seitdem verfilmt worden. Und es war schlicht unmöglich sich den "300" zu entziehen... eben trotzdem.
    Warum also kann ich mich Machwerken, die eigentlich allem zuwiderlaufen, was mich ausmacht, woran ich glaube, was ich vertrete oder für politisch korrekt halte nicht entziehen?
    Die einzige Antwort darauf, die ich bisher gefunden haben ist: man braucht diese extremistischen Ausschläge. Denn das ist all dem, was ich aufgezählt habe, gemeinsam. Eigentlich steckt in all diesen Machwerken ein "zu viel".
    Disney... oh bitte, da ist ein Zuckerguss drauf auf dem man steptanzen könnte ohne einzubrechen, eine belehrende Moral mit schwarz/weiß-Plot, den ich überall sonst mit vernichtenden Worten zerlegen würde. Aber es ist in einer so verdammt bezaubernden, charmanten und hinreißenden Form verpackt... kann ich einfach nicht.
    Riefenstahls Ästhetik ist kein Design, es ist als ob sich eine surreale perfektionistische Zwischenwelt aus der Wirklichkeit hervorschält und sich abfilmen lässt - eigentlich absurd zu viel von allem, übersteigert... aber widerum, die Form verführt.
    Das spartanische Blutbad ist jenseits vom üblichen Kunstblutverbrauch auf Kinoleinwänden. Mitte des Films fragt man sich, wie man das noch steigern will, am Ende weiß man, dass da noch ein paar Steigerungen kamen. Doch das Abstoßende verkehrt sich zu einer seltsamen Kunstform... und auch da ist wieder die Form.
    Und wahrscheinlich läuft es darauf hinaus. Ich kann mich einer Übersteigerung, einem extremistischen Ausschlag, einer Opulenz gleich welcher Art dann nicht entziehen, wenn sie mir auf einzigartige, außergewöhnliche oder berührende Weise dargeboten wird.
    Und dann kann mein Verstand political correctness und Moral predigen so viel er will... ich vergesse das nicht, ich nehme das wahr, aber verführt werde ich ... eben trotzdem.
    Bleibt die Frage, warum man diesen emotionalen Extremismus in alle Richtungen angelegentlich braucht? Ach, was weiß denn ich. Warum kauft man sich Wasabi-Chips? Man weiß genau, dass man ein Liter Milch brauchen wird um die Tüte zu verkraften und dass die besonders grünen bis in die Nasennebenhöhlen zwirbeln werden. Trotzdem hat man Lust auf genau diese Chips. Und kauft sie sich... immer wieder... eben trotzdem.

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  4. Ja. Ja. Und nochmal Ja. Wobei Riefenstahl und Griffith Sonderfälle sind, weil sie ihre propagandistischen Absichten mit in ihrer Zeit neuer Ästhetik bzw. Filmsprache umsetzten. Man verfällt der Form, die doch der Inhalt ist. Und das finde ich beängstigend spannend, wie Verführung durch propagandistische Kunst auch bei "geschützten" Personen gelingen kann.
    Oskar Wilde hat mal grsagt: "Das ein Mann Wechsel fälscht, sagt noch nichts gegen sein Geigenspiel.Stimmt das so? Was ist denn Kunst, wenn sie auch inhumane Absichten fördern kann? Weiss es nicht.

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  5. Und Kunst kann nicht nur inhumanes Verhalten fördern, sondern hat darin oft genug auch ihren individuellen oder ideologischen Inititialimpuls...
    Die nächste Frage wäre dann die nach der ästhetischen Qualität und nach der Sittlichkeit.

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  6. zur Bartholomäusnacht:
    Wer in den Ferien Muße für einen faszinierenden Historienroman hat, kann Heinrich Manns zwei Bände Henri Quatre einpacken.

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  7. Alexander Höchst16. Juni 2011 um 00:51

    '...kann mein Verstand political correctness und Moral predigen so viel er will...', das genau scheint mir die Crux. Wir entwickeln eine Moral, die uns hilft, Wiederholung von schweren Fehlern in Zukunft zu vermeiden und unser gesellschaftliches Leben im Gleichgewicht zu halten. Jede Zeit hat ihre Moral entwickelt. Unsere Moral ist sehr vom humanistischen Gedankengut geprägt. Im antiken Griechenland mit seinen Sklaven gab es andere moralische Parameter und in den Urgesellschaften mit ihrem permanenten Überlebenskampf wieder andere. Sie wandelt sich, ist immer praktisch und nützlich. Die Moral ist wie ein großes Netz, dass uns zusammen hält aber auch einengt und stutzt, Körper und Geist. Und immer wieder gibt es Menschen, die dieses Netz zerreißen und ausbrechen wie Charles Manson, Tschikatilo, Haarmann u.v.a.. Aber auch große Künstler versuchen ihr zu entkommen, um zu testen, zu prüfen, zu provozieren, der geistigen Enge zu entkommen.
    '...man braucht diese extremistischen Ausschläge'; die Ausschläge sind vermutlich kleine Befreiungsversuche, der Moral, die ich im Grunde unterstütze und mit gestalte, zu entkommen. Sie füllt mich mich nicht aus. Es gibt Dinge, die sich eben außerhalb befinden. Führe mich nicht in Versuchung; bleibe, arbeite und ordne dich unter und du wirst es gut haben... Die Moral ist für die Masse, die Gesellschaft gemacht. Jeder einzelne muss sehen, wie er mit ihr zurecht kommt.

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  8. (Hab's schon wieder getan... sorry... reiße mich zukünftig mehr zusammen... aber noch einmal: zwei Teile.)
    Mr.Wilde ist großartig... ich schätze seine Trefflichkeiten sehr und bin wieder mal geneigt ihm zuzustimmen. Aber manchmal liegt in seiner unwiderstehlichen Ironie auch blanke Bequemlichkeit. Deswegen liebe ich ihn ja so, man kann sich mit ihm wundervollst um Auseinandersetzungen drücken. Allein sein "Ich kann allem widerstehen - außer der Versuchung." ist anbetungswürdig, aber faul. Der Kerl wußte echt, wie man sich Genuß nicht kleinredet... aber das ist zu einfach. Ich will mich da nicht drücken... und gleichzeitig ist das Problem so komplex, logisch, gedanklich, emotional, ethisch, das man sich verheddert ohne Grenzen, sobald man die Annäherung versucht.
    Kann man ein Talent von seiner Ausrichtung trennen? Heiligt der Zweck die Mittel? Kann man Begabung losgelöst von ihrem Behältnis betrachten oder ist Kunst nicht doch eher ein ganzheitliches Unternehmen? Und was passiert eigentlich wenn Disneys Hyperklischees, Riefenstahls Ideologie und die blutgetränkte Ehre der Spartaner auf Betrachter treffen die eins zu eins zusehen ohne beide Seiten der Medaille zu befragen? Wann wird Kunst ein verbrecherisches Element ...egal wieviel Begabung in ihr enthalten ist?
    Wernher von Braun beförderte den Menschen auf den Mond. Er war ein begnadeter Ingenieur. Und ich glaube ihm, dass er von Kindheit an diesen Traum hatte. Dieser Traum wurde aber einzig Wirklichkeit, weil er beschloß die V2 zu bauen, deren Einsatz ca.8000 Opfer forderte und deren Bau ca.12.000 Zwangsarbeiter erbärmlich umkommen ließ... womit sie die einzige Waffe der Geschichte wurde, deren Produktion mehr Opfer kostete als ihr Einsatz. Und egal, was er später zu Protokoll gab, er orderte diese Zwangsarbeiter, er wußte es, die Amerikaner wußten es, als sie ihn für ihre Zwecke rekrutierten. Ja, die Mondlandung ist großartig, die NASA wäre niemals geworden, was sie ist, ohne ihn. Kann ich mich mit seinem Traum identifizieren? Oh ja. Und es wäre so einfach und unbelastet Raumfahrt pauschal zu feiern, wie gerne täte ich das. Wahr ist aber anders. Wahr ist, dass er mit sich den Tod von 20.000 Menschen vereinbaren und rechtfertigen konnte um die Ressourcen zweier Regierungen auszuschöpfen damit sein Talent das gigantische Ziel seines Traumes wahr werden lassen konnte.

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  9. Und wie um alles in der Welt soll ein Mensch, der Raumfahrt liebt und für so grundsätzlich richtig hält, das emotional bewerten? Moralisch ist das einfach zu bewerten... aber was ist mit dem Gefühl dazu? Ich könnte weinen, wenn ich diese Bilder sehe, von der aufgehenden Erde über dem Mondhorizont. Ach Blödsinn, könnte... wahr ist, ich tu's. Das ist so brachial schön. Ich kenne aber auch die Bilder aus Dora-Mittelbau, ich habe in Dokumentationen Überlebenden zugehört, ihrer Sicht auf die Anfänge der Raumfahrt... ich hab' genauso geweint. Wiegt die Größe eines Geigenspiels den gefälschten Wechsel auf? Ich weiß es so wenig wie Du. Manchmal scheint es, als wäre sowohl das Geigenspiel, als auch das Verbrechen zu groß um es überhaupt nebeneinander betrachten zu können. So, wie man ein Glas nur einmal füllen kann. Oder eine Medaille nicht beidseitig betrachtbar ist. Nur nacheinander. Und nacheinander hilft nicht, weil man im Wechsel der Perspektive auch seine innere Haltung ändern kann. Die Antwort aber liegt wohl eher in der Überschneidung verborgen, nicht im Wechsel. Nur so könnte man sauber abwägen was Kunst, was Begabung dann wird oder ist. Nur so könnte man die Mechanismen sauber herauspräparieren, die sich dann verweben zwischen Kunst, Manipulation, Werkzeug, Lenkung, Bewunderung, Versuchung, Verführung, Waffe und vielem mehr.
    Sind diese Mechanismen spannend? Ja. Schon die Suche danach. Sind sie gefährlich? Brandgefährlich. Gibt's wenigstens ein paar erste Erkenntnisse? Jep, Kunst und Humanismus sind keine Zwillinge, sie müssen nicht mal Verwandte sein. Kann man Riefenstahl, Griffith&Co. einfach ächten? Nein, sie moralisch abzutun verhindert die Auseinandersetzung mit dem Wirkprinzip ihrer Begabung und Arbeit. Es mag keine einfachen Antworten für all die Fragen geben, die in ihren Werken stecken... aber schon die Suche nach diesen Antworten erscheint mir sinnvoller als den gefälschten Wechsel und den Geigenspieler zu trennen oder beide zu inhaftieren. Ich würde gerne verstehen, wieso der Typ beides kann und tut, warum ihm die Fälschung so egal war und vielleicht sogar ob die Abwesenheit moralischer Bedenklichkeiten der Begabung hilfreich war - man sollte erstmal nichts ausschließen.

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  10. Mit dem Wort "Toleranz" geht es mir genauso. Es klingt irgendwie hochmütig. Respekt und Anerkennen des Andersseins finde ich treffender.
    Ich versuche, Taten/Ereignisse zu beurteilen und dieses Urteil dann aber nicht auf den Menschen dahinter zu übertragen. Das ist nicht immer leicht. Aber Menschen zu be- und besonders zu verurteilen, finde ich schwierig. Ich fühle mich unwohl dabei, weil ich denke, daß ich gar nicht genug weiß, um mir wirklich eine Meinung bilden zu können.

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  11. Vielleicht ist da noch der Unterschied zwischen Meinung, zack ist die da, kaum dass etwas wahrgenommen wurde, und Urteil.
    Der alte Spinoza - zu Unrecht ins staubig lexikalische Wissen gesperrt - forderte den Versuch, zu verstehen, statt moralisch zu (ver-)urteilen.

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